Beruhigt es dich zu wissen, dass wir sie alle in uns tragen? Diese vernarbte, größtenteils ungeheilte Wunde der Verlassenheit, die wir schon seit Kindesbeinen in uns tragen? Diese so schmerzvolle Wunde, die uns in jenen traumatischen Momenten zugefügt wurde, in denen wir uns nicht gesehen, nicht verstanden, ja abgelehnt für das fühlten, was wir sind. Weil wir als Kinder rein fühlende Wesen waren, muss dies aus erwachsener Perspektive gar kein offensichtlich dramatisches Erlebnis gewesen sein.

Für mich war einer dieser Momente, als man mich in den Kindergarten steckte und ich mich mutterseelenallein fühlte. Die ersten Wochen weinte und heulte ich den ganzen Tag und verstand die Welt nicht mehr. Verstehst du, was ich meinte? Ich verstand die Welt nicht mehr. Meine Erwartung vom Leben und von der Welt, das sie mich nährt und trägt und mit Liebe und Sicherheit versorgt wurde radikal desillusioniert. Ich begann die Welt als einen gefährlichen Ort wahrzunehmen. Und die bedingungslose Liebe und Sicherheit meiner Mutter als etwas, was mir vom einen Moment auf den anderen entzogen werden könne. Sicher. Irgendwann habe ich mich an das Kindergarten-Leben gewöhnt und hatte viel Spaß dabei. Und heute muss ich natürlich über den kleinen Ludwig schmunzeln, der den ganzen Tag wartend und völlig eingeschüchtert in der Ecke verbracht hat, um endlich abgeholt zu werden. Aus einer rationalen Sichtweise heraus wäre man also dazu geneigt, das Erlebte als völlig „normal“ zu betrachten. Weil es eben Teil des Großwerdens ist, diese Erfahrungen zu machen. Um dann irgendwann auf eigenen Beinen stehen zu können, abgehärtet und solide und bereit für das oft sehr raue Leben, was uns dort draußen erwartet.

Verlassene Innere Kinder

Aus einer fühlenden Perspektive verstehe ich, dass diese Erfahrungen das Kind, das wir einmal waren, hochgradig traumatisieren. Für mich war es zum Beispiel mein Kindergarten-Drama. Für jemand anderes kann es die gefühlte Bevorzugung eines Geschwisterchens sein – jenes bekommt als Belohnung nämlich die Kugel Eis, die dem anderen verwehrt bleibt. Hierbei gibt es meiner Ansicht nach keine objektiven Bewertungsmaßstäbe, wie traumatisch gewisse Erfahrungen für Kinder wirklich sind. Da – wie erwähnt – wir als Kinder rein fühlende Wesen sind, hängt die Intensität der Traumen der Ablehnung, die uns widerfahren, ganz von unserem subjektiven Empfinden ab. So sehr uns unsere Eltern auch vor diesem Schmerz zu schützen versuchten. Ich glaube, dass wir ab dem Moment, in denen wir die Gefahren, die Unsicherheiten, die emotionale Unstabilität des Lebens wittern, alle diese schmerzvollen, traumatischen Erfahrungen machen. Der eine mehr, der andere weniger offensichtlich.

Das Resultat: Wir reifen zwar physisch zu Erwachsenen heran, tragen aber weiterhin diese traumatisierten Inneren Kinder in uns, die im Schmerz der Ablehnung erstarrt, ja in ihrer Entwicklung stecken geblieben sind, weil sie in ihrem Schmerz weder gehört noch gesehen werden. Bedürftigkeit und die Angst davor, diesen qualvollen Schmerz der Vergangenheit noch einmal spüren zu müssen, sind die Antriebsfedern für das Agieren dieser Inneren Kinder, die uns dadurch aus dem Unterbewusstsein heraus manipulieren. So werden wir in emotional intensiven Situationen also identisch mit unseren Inneren Kindern! Verzerren uns nach Liebe und schützen uns gleichzeitig nahezu hysterisch vor weiterem Schmerz, indem wir zwanghaft nach Unabhängigkeit streben und eine Mauer um unser Herz errichten.

Die Krux an der Sache: Je mehr wir gegen den Schmerz des Verlassenwerdens ankämpfen, desto tiefer versinken wir im Sumpf dieser Emotionen und handeln, unterbewusst und bewusst, in unseren Beziehungen lediglich aus unserem verletzten Inneren Kind heraus. Anstatt Beziehungen auf Augenhöhe zu führen und tiefe Verbundenheit mit unseren Mitmenschen und uns selbst zu erfahren, befinden wir uns auf einer permanenten Flucht vor unserem Schmerz. Eine Flucht, die uns verzweifelt Ganzheit in Partnerschaften suchen lässt und uns doch darin hindert, uns wirklich offenen Herzens auf die Liebe einlassen zu können. Eine Flucht nach vorne, die das Ziel verfolgt, endlich Heilung zu finden. Über Partnerschaften. Über Süchte. Über ungesundes Sexualverhalten. Über alles, womit wir kurzzeitig diese innere Leere zu füllen vermögen. Um sie nicht spüren zu müssen. Um den Ur-Schmerz der Verlassenheit nicht spüren zu müssen. Ganz und heil in uns selbst werden wir dadurch nicht. Wir mögen uns von Endorphin-Kick zu Endorphin-Kick hangeln und in einem ambitionierten Kampf nach Liebe immer wieder lichtvolle Momente der Bestätigung erleben. Doch die tiefe Verbundenheit mit uns selbst, die Ganzheit in uns selbst bleibt uns dadurch verwehrt.

Der Weg der Heilung

Ich betrachte die Heilung des verlassenen Inneren Kindes, ja die Heilung dieser Ur-Wunde der Ablehnung und der Verlassenheit, die viele ungesunde Glaubens- und Gefühlsmuster in uns heranwachsen hat lassen, als eine meiner Kernlektionen auf meinem Weg zu mir selbst. Es ist der Weg, den meine Seele gehen möchte. Ein Weg in die Ganzheit. Ein Weg in die Selbstliebe und die eigenen Kraft. Ein Weg, den viele sensitiven Seelen dort draußen tief in sich fühlen und der oft mit einer schmerzvollen und doch unglaublich befreienden Konfrontation mit seelischen Wunden einhergeht.

Wie können wir diesen Weg der Heilung also beschreiten?

Indem wir uns dem stellen, was an schmerzvollen Emotionen in uns auftaucht. Indem wir den oft so schmerzhaften Spiegel, der uns in unseren Beziehungen vorgehalten wird, für unsere Heilung nutzen. Dazu nutzen, um genau an diese Wunde der Verlassenheit heranzukommen, die uns solche Panik bereitet. Indem wir eine liebevolle Beziehung zu unserem Inneren Kind herstellen, ja diesen verletzten Anteil zurück integrieren, ihm mit samt seiner Verletzlichkeit jenen Raum in unserer Innenwelt zur Verfügung stellen, den er braucht, um sich gesehen, anerkannt und geliebt zu fühlen. Und indem wir jene destruktiven Glaubenssätze in die Heilung bringen, die sich als fest verankerte Kernüberzeugungen in den Tiefen unseres Unterbewusstsein, ja in jeder Zelle unseres Körpers verankert haben. Uns programmiert haben in eine Richtung, die uns das Gefühl gibt, nicht gut genug zu sein, Liebe nicht zu verdienen und die permanente Angst vorm Verlassenwerden in uns schürt.

Fakt ist: Den Filter unserer kindlichen Programmierungen, durch die unsere Wahrnehmung läuft, können wir nicht einfach so wegzaubern! Unser Inneres Kind können wir mit samt seinem Schmerz nicht einfach aus unserem Leben verbannen. Wir müssen und dürfen in die Tiefe unserer Seele tauchen, um in Kontakt zu treten mit dieser Wunde der Verlassenheit.

Ein Healing-Guide in 3 Schritten

  1. Stelle dich den Emotionen, die in dir getriggert werden und erschaffe Bewusstheit darüber, was dich die Beziehungen, welche dir Schmerz bereiten, über dich selbst lehren – deine emotionalen Muster und negativen Glaubenssätze über dich, das Leben und die Liebe.
  2. Erschaffe eine liebevolle Beziehung zu deinem Inneren Kind und gib diesem verletzlichen Anteil jenen Raum in deiner Innenwelt, die es braucht, um sich sicher und geliebt zu fühlen! Seelenreisen eignen sich dafür hervorragend, auch wenn es dir vielleicht schwer fällt, in die Welt deiner inneren Bilder und Wahrnehmungen einzutauchen und sie zu erspüren. All das wird dir mit zunehmender Übung immer leichter fallen.
  3. Heile die Glaubenssätze, die dieser Wunde der Verlassenheit entspringen und alle damit verbundenen Schocks und Traumata. Typische Klassiker sind: „Wenn ich zu sehr liebe, werde ich verletzt“ – „Wenn ich ich selbst bin, werde ich verlassen“ oder auch das kindliche Muster: „Wenn ich verlassen werde und keine Liebe und Zuwendung im Außen bekomme, sterbe ich“ (Weil du nun erwachsen bist und für dich selbst sorgen kannst, wird das nicht passieren!). Egal welches Heilungs-Tool sich für die Transformation deiner Glaubenssätze stimmig anfühlt. Nimm dich dieser Herausforderung an! Diese unterbewussten Programmierungen sind die Kapitel für die Storys, die du in deinem Leben schreibst. Willst du andere Storys schreiben, solltest du auch die Kapitel ändern, sprich dein Unterbewusstsein in eine positive Richtung umprogrammieren

So much love,

Dein

ludwig_unterschrift