Wahrscheinlich kannst auch du ein Lied davon singen, wie dich der Kampf um Liebe und Anerkennung im Außen mürbe gemacht hat. Wie sehr es dich nervt, dass du deinen Selbstwert immer wieder von der Bestätigung deiner Mitmenschen abhängig machst. Wie sehr du dich innerhalb dieses Strebens nach Bestätigung immer wieder verbiegst und in Schemen pressen lässt, weil du deinem Umfeld gefallen willst. Um die Liebe zu erhaschen, die du dir eigentlich nur selbst geben kannst. Und das weißt du auch ganz genau.
Ja, du hast die immer wiederkehrende Aussage, dass du dich nur selbst ganz machen kannst und dich deshalb selbst zu lieben hast, schon Tausend mal gehört. Ich selbst bin ein fleißiger Prediger dieser Selbstliebe-Mantren. Und weiß trotzdem genau, dass sie nichts als sinnentleerte Phrasen sind, wenn sie nur den Verstand erreichen.
Denn wie sollst du einen allumfassenden Zustand von Selbstliebe erreichen, wenn sich Teile deiner Seele noch in schmerzvoller Selbstablehnung, in einem permanenten Gefühl des Liebesentzugs und Mangels befinden?
Genau. Das ist schier unmöglich. Da kannst du dir noch so viele Spiri-Schmöker reinziehen, deren Kernbotschaft die bedingungslose Selbstliebe ist. Und da nehme ich meine Blogposts gar nicht raus …
Tief in dir gibt es diese verletzen, absolut verletzten Anteile, die absolut nicht in der Lage sind, sich jene Liebe, Sicherheit und Erfüllung selbst zu geben. Die sich hilflos und ohnmächtig fühlen und die Aussage „Go and love yourself“ absolut nicht begreifen und verinnerlichen können.
Im Gegenteil. Denn ratterst du fleißig deine Selbstliebe-Affirmationen runter, obwohl tief in deinem System noch schmerzhafte Muster des Selbsthasses sitzen, kann sich dein innerer Unfriede sogar verschlimmern. Es herrscht dann ein innerer Konflikt zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein und du spaltest negative Gefühle der Selbstablehnung, die eigentlich gesehen und gefühlt werden wollen, weiter von dir ab. Du kannst also keinen Zustand von Selbstliebe erzeugen, in dem du diese unüberwundenen Themen einfach ausklammerst oder mit Licht und Liebe rosarot übermalst.
Willst du wirklich deinen Kampf um Liebe beenden, diesen Drang nach Bestätigung und Anerkennung heilen, solltest du genau diese tief verletzten Anteile deiner Seele bejahen. Je mehr du dich ihrer bewusst wirst, je intensiver du Kontakt mit ihnen herstellst, desto besser bist du in der Lage, für sie einzustehen, sie zu schützen und ihnen jene Liebe zu geben, die ihnen so oft verwehrt blieb.
Du kannst diese verletzten Anteile in dir bezeichnen, wie du magst. Mir persönlich gefällt der Begriff des „INNEREN KINDES“ am besten. Das innere Kind mit all seiner Leichtigkeit, Kreativität und Verspieltheit. Das innere Kind allerdings auch, das vielleicht schon im Mutterleib das Gefühl von Unerwünschtsein verspürt hat. Das innere Kind, das natürlich hochgradig abhängig war von Liebe und Stabilität im Außen – wie soll es auch anders sein? Das innere Kind, das verbittert um Liebe kämpfte und immer dann traumatisiert wurde, wenn ihm diese verwehrt blieb.
Und auch heute, wo du längst erwachsen, ja durchaus dazu in der Lage bist, Verantwortung für dich und dein Seelenheil zu übernehmen und dir die Liebe selbst zu geben, nach der du dich als Kind so sehr sehntest, ist es dein inneres Kind, das dich weiterhin diesen Kampf um Liebe kämpfen lässt.
Du kannst dein inneres Kind, das sich vor Schmerz krümmt und sich nichts sehnlicher wünscht, als endlich Sicherheit und Liebe zu erfahren, nicht einfach mit dem Satz „Go and love yourself“ vertrösten. No way! Je mehr du versuchst, es mit seiner Bedürftigkeit zu vertrösten, desto mehr wird es in dein Leben hineinpfuschen und den Kampf gegen deinen inneren, abgeklärten Erwachsenen aufnehmen, der es in seiner Empfindsamkeit immer wieder wegzudrücken versucht.
Ob es dir gefällt oder nicht: Du trägst dieses teilweise so hilflose innere Kind mit all seinen Wunden und Verletzungen in dir. Und wirst lernen müssen, dich mit ihm liebevoll zu verbünden,
Sorge dich liebevoll um dieses verletzte innere Kind, ja gib ihm einen Raum in deinem Herzen, wo es sich sicher und geborgen fühlt. Setze klare Grenzen und distanziere dich von denjenigen, die dich tief im Kern immer wieder verletzen, auch wenn du auf Verstandesebene glaubst, das sei doch alles völlig harmlos. Ja, stehe vehement für dein inneres Kind ein, wenn andere versuchen, es zu beschämen. Und vor allem: Hör auf, dich selbst zu verletzten, um andere nicht zu verletzen.
Wie oft versuchst du aus der Rolle des verantwortungsvollen Erwachsenen heraus, den Erwartungen anderer gerecht zu werden, obwohl du damit deine eigenen inneren Impulse, deine eigene innere Wahrheit leugnest? Wie oft lachst du als Reaktion auf zynische Kommentare deines Umfeldes, obwohl sie dich auf tiefer Ebene wirklich verletzen? Wie oft versuchst du, den Starken zu mimen, obwohl du dich eigentlich total schwach fühlst und dir emotionale Unterstützung wünschst? All dies sind Handlungen, mit denen du dein inneres Kind nur noch mehr verletzt.
Versteh mich nicht falsch. Ich will dich nicht dazu motivieren, zur Prinzessin auf der Erbse zu mutieren. Im Gegenteil: Ich will dich dazu motivieren, deine Schwäche liebevoll anzunehmen. Den Bedürfnissen deines inneren Kindes voller Respekt und Empathie zu begegnen. Ja, auch jene Anteile deiner selbst unter deine Obhut zu holen, die sich von keiner Spiri-Weisheit dieser Welt beeindrucken lassen und einfach Liebe und Anerkennung wollen.
Du musst dein inneres Kind nicht erziehen. Du musst es nur lieb haben!
Denn nur dann, wenn du diese Anteile, ja dieses verletzte innere Kind, zu lieben lernst, erwächst daraus eine Selbstliebe, die dich tatsächlich den Kampf um Liebe und Anerkennung im Außen beenden lässt. Eine Selbstliebe, die auch all deine Verletzlichkeit und emotionalen Abhängigkeit mit an Bord holt und sie mit jener Liebe und Sicherheit versorgt, nach der sie sich so sehr sehnen.
Stehst du in einem unerschütterlichen, guten Kontakt mit deinem inneren Kind, bist du in der Lage, es liebevoll in seine Schranken zu weisen, wenn es wieder einmal geradezu hysterisch um Aufmerksamkeit kämpft. Und bist in der Lage, ihm diese Aufmerksamkeit selbst zu schenken.
Drum geh nun … und umarm dein inneres Kind! Mit all seiner Verletzlichkeit, Bedürftigkeit, Sehnsucht, Unberechenbarkeit, Traurigkeit, Angst und Wut!
Als heißen Buchtipp zu diesem Thema möchte ich dir übrigens Susanne Hühns „Die Heilung des inneres Kindes“ ans Herz legen.
Dein kleiner Selbstliebe-Junkie