Es ist arrogant, ausgrenzend und trotzig. Es fühlt sich unverstanden und verurteilt alles und jeden, der nicht zu 100% seinen absolut begrenzten Vorstellungen entspricht. Es verkörpert Trennung statt Einheit. Ablehnung statt Annahme. Es nährt sich aus der menschlichen Ur- Angst, nicht gut genug zu sein. Und es führt einen Kampf gegen sich selbst, bei dem es sich paradoxerweise auch noch selbst anfeuert.
Die Rede ist von meinem dunklen Selbst – jenen Anteil in mir, der sich von der Liebe abgespalten hat. Nein, sein Fokus liegt weder auf Liebe noch Heilung. Es versucht mit allen Mitteln, in der Dunkelheit zu verweilen und reagiert auf Liebe mit Hohn und Spott.
Meiner Erfahrung nach tragen wir alle dieses dunkle Selbst in uns – und versuchen trotzdem mit allen Mitteln, den Blick in seine hasserfüllten Augen zu vermeiden. Tatsächlich neigen wir dazu seine Existenz zu verleugnen!
So wirkt es bei den meisten Menschen subtil durch das Unterbewusstsein. Immer dann, wenn emotionale Wunden aufgerissen werden und es sich in seinem tief verankerten Glauben bestätigt fühlt, dass Liebe eine Illusion und diese Welt ein Ort des Schreckens sei.
In diesen Momenten lässt es uns zu trotzigen, rachesüchtigen Kindern mutieren, die verletzen, um nicht verletzt zu werden. Die einen dunklen Schutzpanzer vor dem Herz errichten und dahinter eine Ego-Offensive starten, die alles, was sich ihm in den Weg stellt, ohne jegliches Mitgefühl platt zu walzen droht.
Ja! In seiner geballten Gefühlsladung scheint es uns förmlich zu übermannen. Und bringt uns gleichzeitig dazu, es zu hassen und zu verleumden. Indem es uns glauben lässt, dass wir uns für seine Existenz schämen müssten und uns dazu motiviert, es noch tiefer zu verdrängen. In der Tat: Selbsthass ist seine größte Waffe. Denn Selbsthass schirmt uns noch mehr von der Liebe ab. Und lässt unser dunkles Selbst weiter im Verborgenen agieren, wo es seinen Irrglauben von Angst und Trennung weiterhin problemlos aufrechterhalten kann.
Trotz aller speziell in Spiri-Kreisen weit verbreiteten Tendenzen, jegliche Form von Schatten mit rosaroter Fake-Liebe anzumalen, diese unter die Rubrik „Was nicht sein darf, das nicht sein kann“ zu verbannen und sich wieder am geliebten Selbstbild des Erleuchteten festzuklammern …
Wer den Blick dauerhaft auf Licht und Liebe richten will, wird nicht drumherumkommen, einen Abstecher in die tiefste Dunkelheit seiner Seele zu machen, wo das dunkle Selbst zähnefletschend auf uns wartet.
Je bewusster ich werde, ja je freier der Zugang zu meiner Gefühlswelt ist – frei von Blockaden, frei von verdrängten Anteilen, frei von Schuld und Scham, mich zu zeigen mit allem was ist -, desto offensichtlicher tritt dieses dunkle Selbst in Erscheinung. Desto besser kann ich erkennen, wann es am Ruder sitzt und meine Emotionen aus meiner seelischen Unterwelt heraus manipuliert.
Und wie nun umgehen mit diesem Anteil, der so unglaublich schwer zu lieben ist, weil er sich in seinem Ursprung gegen die Liebe entschieden hat?
Ganz einfach. Und doch so kompliziert. Es ist die Champions League der Selbstliebe.
Es ist das Verharren in tiefstem Mitgefühl zu uns selbst, in tiefster Selbstliebe auch in jenen Momenten, in denen dieses dunkle Selbst impulsartig unser Bewusstsein crasht und uns in seiner Wut und in seinem Hass förmlich übermannt. Es ist das Verharren in innerem Frieden auch in jenen Momenten, in denen uns das schlechte Gewissen auf den Fersen ist und als Reaktion auf das dunkle Selbst mahnend den Zeigefinger hebt.
Es ist der Sieg der Selbstannahme über den Selbsthass!
Ein Sieg, der nur das Resultat einer bedingungslosen Akzeptanz dieser Existenz unseres dunklen Selbst sein kann. Einer Existenz, die nur dann gefährlich wird, wenn wir sie weiterhin leugnen und künstlich von uns abspalten anstatt sie liebevoll zu integrieren.
Solange wir den Schatten nicht als Teil unserer Selbst anerkennen, können wir niemals auf tiefster Ebene Heilung und Transformation erfahren, ja stoßen in unserer Weiterentwicklung immer dort an eine Grenze, wo die Komfortzone unserer Selbstannahme aufhört.
Es ist allerdings nur das Bündnis mit dem dunklen Selbst, das den Nährboden für wahre Selbstliebe bereitet. Ein Bündnis, das von tiefem Respekt und Mitgefühl für eine Version unserer Selbst geprägt ist, die wir aus unseren Prägungen heraus ursprünglich verabscheuen und tendenziell verdrängen.
Allem Streben nach Licht und Liebe zum Trotz: Wer wahre Selbstliebe erfahren will, muss dazu bereit sein, in die tiefsten Tiefen seiner Unterwelt zu tauchen und jenes liebesvolle Bündnis mit dem dunklen Ich einzugehen. Immer wieder. Und immer wieder. Das ist der wahre Weg ins Licht und die Liebe.
Das ist der spirituelle Weg, der in die Ganzheit führt. Eine Ganzheit, die Licht und Schatten, Liebe und Angst, ja das ganze Spektrum der Dualität in die Einheit holt.
Live and love your naked self!
Dein
Wow, genau mein Thema. Bis jetzt bin ich nur soweit, dass ich es erkenne, wenn es sich zeigt. Und zwar mit aller Deutlichkeit. Noch nie war ich zorniger, ungerechter, urteilender, nörgelnder als jetzt. Und das anzunehmen und damit umzugehen fällt so so schwer.
happy shadow working :)))
Genau das ist meiner Meinung nach zB auch bei „Ein Kurs in Wundern“ das Problem…Da wird auch so getan,als müssten wir uns entscheide n.Ich kann mir aber nicht vorstellen,dass wir als Menschen jemals einen Zustand erreichen können,in dem man überhaupt keine Probleme mehr hat.Irgendwie brauchen wir sie ja auch,oder?
Ich kenne den „Kurs in Wundern“ und ich glaube, er ist ganz gut darin, wenn es darum geht, all unseren Schmerz all Ego-Illusion zu entlarven- von einer höheren Warte au. Und diese Erkenntnis kann sehr heilsam sein. Doch wenn es ums bloße Menschsein, mit allem Licht und allem Schatten, geht, weiß ich, wie wichtig die Würdigung dieser Schatten und aller damit einhergehender Problem ist. Denn nur in dieser Annahme liegt ein kosequenter Weg in die Selbstliebe und damit auch in die Heilung. Ganz liebe Grüße
Guten Abend,
ich bin zufällig auf deinen Blog gestoßen und die Beiträge bringen mich zum nachdenken… in Bewegung…und das gefällt mir. 🙂
Ich möchte gerne eines meiner Schlüsselerlebnisse teilen, welches mir wieder und wieder auf dem Weg zur Selbstliebe hilft und an das mich der Text erinnert hat.
Damals konnte ich meine Ängste, emotionale Instabilität, meine Schattenseiten nicht genau greifen, ich wusste mich nicht zu schützen und griff immer wieder zum destruktiv, Altbewehrten> zb es zu verdrängen, zu bekämpfen oder mich zu richten, behaftet mit Schuld um Scham. Ein nie gänzlich hinterfragtes Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins entstand.
Vor einigen Jahren habe ich angefangen mit inneren Bildern zu arbeiten und habe dem hier sogenannten dunklen Selbst eine Form gegeben (bei mir zb modernder Schlamm). Es somit greifbar gemacht.
Und die Schlüsselfrage lautete nicht „Wie beseitige ich es?“ sondern
„Was kann ich tun damit es dem Schlamm besser geht?“
Seitdem kümmer ich mich um ihn und bepflanze ihn ab und an. Nehme den Anteil sozusagen an und beruhige ihn. Versuche liebevoll zu sein. Immer und immer wieder. Es macht mich sozusagen Handlungsfähig.
Wenn ich mal wieder Angst habe stelle ich mir vor, ich sitze im Schaukelstuhl und häkel Socken.
Denn mein inneres Bild zu meiner Angst ist tatsächlich eine gebirgsähnliche Steinzyklopin die kalte Füße hat. ..
Klingt vielleicht total verrückt…
aber es hilft und Humor hat noch nie geschadet. 🙂
Sich anzunehmen mit allen Licht und Schattenseiten. Schmerzen und Emotionen wahrzunehmen und Raum zu geben. Sie nicht als positiv oder negativ zu betrachten, gibt mir die Chance im Ganzen zu wachsen und aufzublühen.
Ein schönes Zitat:
“For a seed to achieve its greatest expression, it must come completely undone. The shell cracks, its insides come out and everything changes. To someone who doesn’t understand growth, it would look like complete destruction.”
― Cynthia Occelli
Klingt superschön, was du da machst! Für visuelle Menschen, die gern mit Bildern arbeiten ein super kraftvolles Heilungstool 🙂 Hugs, Ludwig